China – Geschichte

Tientsin

Die Historie der chinesischen Stadt Tientsin lässt im Zuge ihrer Entwicklung vom Fischerort zur Handelsmetropole zahlreiche Parallelen zu Chinas Metropole Peking erkennen. Zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert fungierte der Hafen Tientsins als Getreidelager für den kaiserlichen Hof in Peking. Als in den folgenden Jahren die ehemals unabhängigen Reiche Südchinas unterworfen wurden, passierten die Lieferungen und Tribute auf dem Weg nach Peking den Hafen von Tientsin.

Während der von 1279 bis 1368 andauernden Yuan-Dynastie wurde mit dem Kaiserkanal die längste von Menschenhand geschaffene Wasserstraße weltweit fertig gestellt. Nun bestand eine Verbindung zwischen Tientsin in Nordchina und dem mehr als 1.800 Kilometer entfernten Mündungsgebiet des Jangtsekiang.

Der Name Tientsin entstand in der Ming-Dynastie unter Kaiser Zhudi, etwa um 1380. Zu dieser Zeit festigte sich die Vormachtstellung Tientsins als Hafen Pekings und der Ort entwickelte sich zu einer befestigten Garnisonsstadt. In der nachfolgenden Qing-Dynastie, welche bis zur Gründung der Republik China im Jahre 1911 andauerte, blühte der Handel in Tientsin. Eine besondere Rolle kam dabei dem Handel mit Meersalz zu.

Im 19. Jahrhundert geriet Tientsin in den Fokus der Westmächte. Unter dem Vorwand, dass ein englisches Schiff von Chinesen angegriffen wurde, erging eine Kriegserklärung an China. Mit ihren Kanonenbooten waren die westlichen Truppen den Chinesen klar überlegen und so kam es zum Vertrag von Tianjin, welcher am 26.und 27.Juni 1858 zwischen China, den USA, Frankreich, Großbritannien und Russland unterzeichnet wurde. China verpflichtete sich darin, sich für den Handel mit den Westmächten weiter zu öffnen, Englisch zur Verkehrssprache zu deklarieren, die Missionstätigkeit im Land zuzulassen und eine Entschädigungssumme in Höhe von sechs Millionen Liang an Großbritannien und Frankreich zu zahlen. Die einzige Gegenleistung der Westmächte bestand im Abzug der britischen Truppen aus Tientsin und der Räumung der nahen Festung Dagukou.

Als China sich weigerte, die Vertragsbedingungen einzuhalten, griffen die britischen Truppen im Jahre 1859 die Festung Dagukou abermals an und leiteten hiermit die zweite Phase des II. Opiumkrieges ein. Die Vertragsbedingungen wurden von China erst im Jahre 1860 bestätigt und in der Pekinger Konvention um weitere Bedingungen erweitert. So wurde unter anderem die Öffnung des Hafens von Tientsin beschlossen. Weiterhin existierten in Tientsin am Fluss Haitte mehrere europäische Enklaven, Chinesen war der Zutritt untersagt.

Die Spannungen zwischen der chinesischen Bevölkerung und den ausländischen Besatzern wuchsen und gipfelten im Jahre 1870 im Übergriff der Chinesen auf ein Waisenhaus, welches unter französischer Leitung stand. Die Chinesen töteten Priester und Nonnen, da sie der Ansicht waren, dass diese chinesische Waisenkinder dorthin verschleppt hatten.

Tientsin – Handelszentrum

Unter dem Einfluss der europäischen Mächte entwickelte sich Tientsin zu einem bedeutenden Handels- und Kommunikationszentrum. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Stadt nach Shanghai der wichtigste internationale Handelsstützpunkt in China. Zeitgleich reifte in der Stadt eine Gegenströmung und Tientsin wurde zum Mittelpunkt des politischen Widerstandes gegen Europa.

Diese Spannungen entluden sich im Jahre 1900 im Boxeraufstand. Die Chinesen belagerten die internationale Konzession in Tientsin. Am 14. Juli 1900 wurde die Stadt von internationalen Truppen eingenommen. Ein Großteil der historischen Bausubstanz wurde zerstört, in den Folgejahre jedoch im europäischen Stil wieder aufgebaut.

Zwischen 1900 und 1909 ist die Stadt von einer internationalen Kommission verwaltet worden, in der jene Mächte vertreten waren, die Niederlassungen in Tianjin besaßen: Russland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Japan, Italien, Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich. 1906 fuhr die erste Straßenbahn, und 1927 erhielt Tianjin den Status einer selbständigen Stadt auf Provinzebene.

Japanische Besatzung

 

Am 30. Juli 1937 wurde Tientsin von japanischen Truppen besetzt. Die japanische Besetzung war die Folge des Feuergefechts zwischen chinesischen und japanischen Truppen an der Marco-Polo-Brücke. Diese Auseinandersetzung wird als Auslöser des 2. Japanisch-Chinesischen Krieges betrachtet. Die japanische Besetzung dauerte bis zum 15. August 1945 und wurde mit dem Einmarsch der US-Armee beendet. Die amerikanischen Truppen wurden zwei Jahre später aus der Stadt abgezogen, als es zu Protestdemonstrationen auf Grund von Übergriffen der Amerikaner an chinesischen Frauen gekommen war.

Im Januar des Jahres 1949 wurde Tientsin von kommunistischen Truppen besetzt. Diese hatten sich im Vorfeld eine Schlacht mit den Truppen der chinesischen Nationalpartei geliefert. Tientsin blieb neun Jahre ein selbstständiger Stadtbezirk und wurde 1958 zur Provinzhauptstadt von Hebei erklärt.

 

Neuzeit

Ein schweres Erdbeben erschütterte die Stadt im Jahre 1976. Die Bausubstanz wurde beinahe komplett zerstört und nahezu 24.000 Menschen kamen ums Leben.

Im Jahre 1978 beschloss die chinesische Regierung umfassende Wirtschaftsreformen, welche konsequent umgesetzt wurden und Tientsin Wohlstand und ein stabiles Wirtschaftswachstum bescherten. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Einwohnerzahl der Stadt verdoppelt. Heute leben 3,8 Millionen Einwohner in Tientsin.